Bauernkleider im Mittelalter – Dein praktischer Ratgeber für authentische LARP-Kleidung
Wenn du dich fragst, wie Bauernkleider im Mittelalter wirklich aussahen und wie du sie für dein LARP oder historisches Projekt möglichst glaubwürdig rekonstruieren kannst, bist du hier richtig. In diesem Ratgeber teile ich meine eigene Erfahrung, gebe dir praktische Tipps und zeige dir, worauf du beim Kauf, Schnitt und Material achten solltest.
Warum Bauernkleider überhaupt interessant sind
Schon bei meinem ersten Mittelaltermarkt fiel mir auf: Viele tragen Rüstungen oder prunkvolle Gewänder – aber das einfache Kleid einer Bäuerin oder eines Bauern bringt Leben in die Geschichte. Wer mit einem Bauernkleid auftaucht, bringt Bodenständigkeit, Alltag und Charakter mit. Es erzählt Geschichten von Arbeit, Wetter und einfachen Freuden.
Außerdem: Nicht jeder möchte in ein Adelgewand schlüpfen, und einfache Kleidung ist oft bequemer und praktischer auf dem Lagerplatz. Dazu kommt: Mit geringem Materialaufwand lässt sich ein echter Blickfang erzielen, wenn der Schnitt stimmt.
Was meint man mit „Bauernkleider im Mittelalter“?
Unter Bauernkleider im Mittelalter verstehe ich hier Arbeits- und Alltagskleidung für Landbewohner. Nicht festliche Sonntagstracht, sondern solche, die im Alltag getragen wurde: beim Pflügen, Ernten, Hausarbeit oder Markt. Natürlich gab’s regionale Unterschiede – was in Skandinavien getragen wurde, unterscheidet sich von Mitteleuropa – aber gewisse Grundprinzipien lassen sich herausarbeiten.
Merkmale kurz zusammengefasst:
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Schlichte Stoffe (Leinen, Wolle)
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Unverzierte Schnitte
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Funktionalität: Bewegungsfreiheit, Haltbarkeit
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Schlichte Farben oder naturfarben
Wenn du ein Bauerndorf beim LARP bespielst, stichst du in Feldbraun, gedecktem Grün oder verwaschenem Grau sofort heraus zwischen Seidenröcken und Samttuniken.
Materialien für Bauernkleider im Mittelalter
Leinen
Leinen war für einfache Kleidung beliebt. Es kühlt im Sommer, lässt sich gut waschen und ist relativ robust. Ein Leinenstoff mittlerer Stärke (ca. 200–250 g/m²) eignet sich gut für Mittelaltermode. Zu dünn ist empfindlich, zu dick schwer beim Arbeiten.
Ich nutze oft Leinen für meine Unterröcke oder einfache Kleider. Wenn du planst, zu nähen, achte auf möglichst eng gewebtes Leinen – das verringert Durchsicht und Winddurchlässigkeit.
Wolle
Wolle war ein Standardmaterial, besonders dort, wo es kälter war. Für das Bauernkleid eignet sich Wollstoff mit lockerer Struktur, der aber nicht kratzt. Eine Mischung aus Wolle und Leinen kann sinnvoll sein (Wollleinen-Mischung). Damit kombinierst du Wärme und Atmungsaktivität.
Bei meinem ersten LARP habe ich ein Wollkleid getragen, das stark gefilzt war durch lange Benutzung. War nicht ideal im Sommer, aber im Herbst ein Gewinn.
Farben und Färbung
Die typischen Farben war’n gedeckt: Braun, Ocker, Graugrün, blasses Blau. Dunkles Blau oder Rot war oft teuer. Für dein Bauernkleid nimm Stoffe in gedeckten Tönen oder färbe mit Naturfarben (z. B. Walnuss, Krapp, Zwiebeln).
Ein Tipp: Wenn du Stoffe vorbenutzt, kannst du sie mit Tee waschen oder leicht einlaufen lassen, damit sie nicht frisch und „neumodisch“ aussehen.
Schnitt & Aufbau eines Bauernkleids
Kleid oder Hausrock?
Manchmal wurde eine einfache Tunika über einem Unterkleid getragen. Ein „Bauernkleid“ kann daher eigentlich aus mehreren Lagen bestehen: Unterkleid + Überkleid oder einfach ein Kleid mit lockerer Form.
Ich persönlich arbeite gern mit zwei Lagen: ein Unterkleid aus Leinen (engen Schnitt, lange Ärmel), darüber ein einfach geschnittenes Überkleid. So bin ich flexibel und kann je nach Temperatur schichten.
Der wichtigste Schnitt
Für ein einfaches Bauernkleid brauchst du im Grunde:
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Vorderteil
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Rückenteil
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Ärmel
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Gürtelschlaufen oder Bindeband
Der Schnitt war oft rechteckig oder trapezförmig – selten komplizierte Taillierungen. Die Bewegungsfreiheit war wichtiger als perfekte Passform.
So habe ich’s gemacht: Ich nahm mein Maßstab: Schulterbreite + 5 cm Nahtzugabe = Breite des Rückenteils. Höhe von Schulter bis Knöchel – das war das Maß für Länge. Breite für Vorderteil ebenso. Die Ärmel waren breit geschnitten, damit sie sich über die Unterkleidung legen.
Ausschnitt und Verschluss
Runde Öffnung oder schmale Schlitzöffnung im Brustbereich. Verschlossen wurde mit einer Schnur oder Knoten, manchmal mit kleinen Holz- oder Knochenknöpfen.
Wenn du’s besonders authentisch machen willst, näh’ kleine Ösen oder ringe aus Baumwollfaden – aber oft reicht ein schlichter Schlitz, der mit einer Lederschnur oder Leinenband zusammengehalten wird.
Anleitung: Nähen eines einfachen Bauernkleids
Hier eine Schritt-für-Schritt-Anleitung meiner persönlichen Methode:
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Stoff zuschneiden
Schneide Vorder- und Rückenteil aus, jeweils mit Nahtzugabe (mindestens 1,5 cm). Die Seiten offen lassen.
Schneide zwei Ärmelstücke – trapezförmig oder rechteckig mit mehr am Handgelenk. -
Schulternähte schließen
Vorder- und Rückenteil an den Schultern zusammennähen. Ich nähe mit einfachem Vorstich oder Rückstich, so wirkt’s rustikaler. -
Ärmel einsetzen
Den Ärmelsaum an den Armausschnitt anpassen – das kann Falten oder Dehnen bedeuten. Mit groben Stichen einsetzen. -
Seiten schließen
Von Saum aufwärts und von Ärmel nach außen zunähen. Lücke unter dem Arm offen lassen oder von Hand versäubern. -
Saum und Ärmelversäuberung
Saum umschlagen und umnähen. Bei Ärmel: einfach umklappen oder mit Zickzackstich versäubern. -
Ausschnitt und Verschluss
Schlitz aussparen oder Ausschnitt formen. Ösen machen oder kleine Schnüre annähen. -
Optional: Gürtelschlaufen
Am Kleid mit Zickzack-Stichen kleine Schlaufen aus Stoff oder Band befestigen, damit ein Gürtel durchpasst.
Ich mache viele dieser Arbeitsschritte im Zelt am Mittelalterwochenende – mit Nadel und Zwirn im Gepäck. Oft kommt man mit einfachen Mitteln weiter als gedacht.
Praktische Tipps für LARP & Mittelaltermarkt
Mehrlagigkeit zu deinem Vorteil nutzen
Wenn’s kalt wird, zieh eine weitere Schicht darüber oder darunter an. Bauernkleider im Mittelalter wurden selten „allein“ getragen. Ich habe oft ein Wams oder eine Weste über meinem Kleid gehabt, wenn’s windig war.
Schmutz & Gebrauch
Sei mutig und nutze dein Kleid – Staub, Erde, Gras machen es lebendig. Ein frisch gebleichtes weißes Kleid wirkt unpassend. Wenn ich das Kleid nach dem ersten Einsatz in Wasser mit Erde einlege, sieht es gleich realistischer aus.
Pflege unterwegs
Leinen lässt sich schnell ausspülen. Wolle lüfte ich eher, weil Waschen riskant ist. Ich trage ein Stoffbeutelchen mit Kernseife und Wasser mit. Zwischendurch an Bäumen ausschlagen – so komme ich durch längere Wochenenden.
Schuhe & Accessoires passend wählen
Holzschuhe, Lederpantinen oder einfache Lederschuhe passen gut. Ein einfacher Hut, Strohhut oder Kopftuch vervollständigt das Bild. Ein Ledergürtel kann am Rand Schleifen halten oder einen Beutel tragen.
Anpassung unterwegs
Manchmal reißt eine Naht – daher führe ich immer Nähzeug mit. Kleiner Trick: Verwende Stoffreste, die du bei dir hast, um provisorisch zu flicken. Wenn ein Ärmel abrutscht, nähe eine kleine Lasche.
Ich erinnere mich an ein Wochenende, wo ein Mann beim Pflügen seinen Ärmel verlor – er nähte ihn in zwei Minuten mit Wollfaden an einen schlichten Lederrest und war wieder voll spielbereit.
Typische Fehler und wie du sie vermeidest
Zu modisch denken
Viele wollen moderne Passformen oder Skinny-Schnitte – das war nie üblich für Bauernkleider. Wenn du zu figurbetont nähst, sieht es schnell „kostümiert“ aus.
Übermäßige Verzierungen
Schnittverzierungen, Stickereien, Paspeln – solche Details sind im einfachen Bauernkleid fehl am Platz. Ausnahmen gab’s, aber im Alltag kaum. Verzichte auf glänzende Borten oder Seide bei einem Bauernkleid.
Falsche Stoffwahl
Ein hauchzarter Stoff mag heute schön sein, war damals aber für Alltagskleidung ungeeignet. Ebenso zu grobe Wollstoffe, die kratzen – Teste Stoffprobe am Arm, bevor du ihn kaufst.
Ungesicherte Nähte
Wenn Nahtzugabe zu knapp oder Stiche zu locker sind, reißt’s schnell. Achte auf solide Nähte und sichere Enden. Ich setze oft doppelte Stiche an Stellen mit hoher Belastung (Taschenbänder, Gürtelschlaufen).
Regionale Unterschiede und Recherchemöglichkeiten
Je nach Region änderten sich Details: In einem mitteleuropäischen Dorf trug man andere Stoffe und Farben als in Norwegen. Wenn du ein Dorf aus Bayern darstellst, kannst du dich an historischen Quellen oder Museen orientieren.
Ich habe oft alte Bildquellen studiert (Kirchenmalerei, Chroniken) und mich mit lokalen Volkstrachten auseinandergesetzt – so lernte ich, wie Krägen oder Ärmel im 14. oder 15. Jahrhundert aussahen. Wenn du Zugang hast zu Regionalmuseen, schau dir dort Bauernkleider oder Funde an.
Erweiterungen & Ausstattung
Schürze
Eine Schürze über dem Kleid schützt und wirkt echt. Schürzen aus grobem Leinen oder gemischtem Stoff mit breitem Band sind typisch. Ich binde eine Schürze oft quer über die Brust, damit sie etwas größer wirkt und ordentlich gehalten wird.
Kopfbedeckung
Ein einfaches Kopftuch oder eine Haube aus Leinen, in neutralem Farbton, ist ideal. Es hält Haare im Zaum und schützt vor Sonne. Beim LARP hatte ich einmal ein blaues Kopftuch, das sehr gut zu meinem erdigen Kleid passte.
Gürteltasche oder Beutel
Ein kleiner Stoffbeutel am Gürtel ist praktisch. In ihm transportiere ich Geld, Brot oder Werkzeuge. Verwende grobe Stoffreste oder Leder – Lösungen braucht’s nicht pompös sein.
Überkleidung bei Regen oder Kälte
Ein einfacher Umhang aus Wollstoff oder gewachstem Stoff schützt vor Regen. Über den Kleidern getragen, war er wichtig für alle, die draußen arbeiteten. Ich besorgte mir einen schlichten Wollumhang mit Kapuze für regnerische Märkte – eine gute Ergänzung.
Beispiele aus meiner Praxis
Einmal trug ich auf einem Piraten-LARP-Fest ein Bauernkleid aus Leinen mit schlichter Schürze. Ein Mitspieler meinte: „Siehst aus, als wärst du gerade vom Feld gekommen.“ Für mich war das Kompliment – es wirkte echt.
Später nahm ich an einem Mittelaltermarkt teil, wo ich morgens beim Zeltaufbau half. Das Kleid aus Wolle begann zu kratzen – ich zog ein Leinenunterkleid drunter, und das war deutlich angenehmer. Seitdem nähe ich immer mit Kombination.
In einer anderen Situation riss mir eine Schulternaht – ich flickte sie mit Stoffrest von meiner Schürze. Der Zeltfreund meinte: „Das sieht gut und realistisch aus.“ Genau darauf kommt es an – das Kleid soll Geschichten tragen.
So berechnest du Stoffbedarf – grober Plan
Als Anhaltspunkt:
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Vorder- und Rückenteil: je etwa 1,5 × deine Körperhöhe
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Ärmel: je ein Rechteck oder trapezförmig, Länge Oberarm bis Handgelenk plus Zugabe
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Schürze: Breite deines Vorderteils, Höhe bis Knie oder Waden
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Kopftuch/Haube: kleines Quadrat, etwa 60 × 60 cm
Für eine Frau mit 1,65 m Körperhöhe und kräftiger Statur plane ich ca. 3,5 m Stoff (bei 1,5 m Breite) ein – inklusive Verschnitt. Für Männer ähnlich, je nach Länge des Rocks oder Überkleides.
Wenn du mehrere Lagen nähen willst (Unterkleid + Überkleid), verdoppel das Material je Layer – aber beim Überkleid kann der Stoff etwas leichter sein.
Checkliste für dein echtes Bauernkleid
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Materialprobe (Leinen, Wolle, Leinen/Wolle-Mischung)
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Gedeckte Farben prüfen
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Schnittmuster grob festlegen
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Nahtzugaben großzügig einplanen
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Verstärkte Nähte an Belastungsstellen
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Versäuberung von Saum und Ärmelend
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Gürtelschlaufen oder Bindebänder
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Schürze und Kopfbedeckung
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Zubehör: Gürtel, Beutel, Umhang
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Probenähen und Test im Alltag tragen
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Spuren (Staub, leichten Abrieb) bewusst setzen
So stellst du fest, ob dein Kleid „funktioniert“
Trage das Kleid beim Aufbau eines Lagers oder beim Mithelfen im Marktbereich. Wenn du dich ohne Einschränkungen bewegen und arbeiten kannst, ist es gut gelungen. Wenn der Stoff spannt, du dich unwohl fühlst oder die Nähte flüstern, dann musst du nachbessern.
Achte darauf, wie das Kleid in Bewegung wirkt: Wenn es flattert, zu lange offene Schlitze hat oder zu schmal geschnitten ist, wirkt es unecht. Ich habe Kleider, die beim Gehen zur Seite schlagen – das war ein Fehler. Seitdem plane ich mehr Weite ein.
Lass Freunde dein Kleid filmen – oft sieht man dann Details, die dir beim Tragen nicht auffallen. Ich sah einmal im Video eine schiefe Schulternaht und habe sie noch vor dem nächsten Markt geändert.
Häufige Fragen zum Thema Bauernkleider im Mittelalter
Wie teuer ist so ein Kleid?
Das hängt vom Stoffpreis, deinen Näherfahrungen und Zubehör ab. Ein selbst genähtes Bauernkleid bekommst du oft unter 80 €, wenn du durchschnittliche Stoffe verwendest. Preisintensiver wird’s bei hochwertiger Wolle, aufwändigen Verschlüssen oder kleinen Stickereien.
Kann man ein bestehendes Kleid „umwandeln“?
Ja. Wenn du ein schlichtes Leinen- oder Baumwollkleid hast, entferne moderne Details, kürze es, füge Gürtelschlaufen hinzu. Überarbeite Nähte mit gröberen Stichen – so erreichst du einen authentischen Look.
Wie unterscheidet sich Bauernkleid von Adelstracht?
Adelstracht hat feine Stoffe, reiche Farben und Verzierungen. Bauernkleider gebe ich durch Schlichtheit, robuste Materialien und Alltagstauglichkeit zu erkennen. Wenn dein Kleid zu perfekt wirkt, wirkt’s künstlich.
Kann ich moderne Stoffe verwenden?
Insofern sie vom Aussehen her passen – ja. Stoffe mit modernen Mustern, synthetische Gewebe oder reine Polyesterstoffe wirken oft „falsch“. Lieber Leinenmischungen oder Wollmischungen wählen.
Warum sich Aufwand lohnt
Wenn du mit einem gut gestalteten Bauernkleid in dein LARP oder Festival ziehst, erzeugst du Atmosphäre. Zuschauer und Mitspieler nehmen dich ernster, weil du nicht „nur Kostüm“ trägst, sondern einen Teil der Welt mitgestaltest. Das hebt dich ab von Massenware – und das ist echtes Handwerk.
Außerdem: Du lernst beim Nähen über Stoffeigenschaften, über Kleidung in früheren Zeiten. Du wirst sensibler für Details wie Schnittlinien, Materialverhalten und Alltagstauglichkeit. Und das ist etwas, das man nicht durch Lesen allein erfährt.